Mit unserem heutigen Song der Woche nehmen wir euch mit auf eine Reise hinein in eine Welt, die viele nur aus Breaking Bad kennen: die Drogenkartelle Mexikos. „PRC“ vom mexikanischen Superstar Peso Pluma klingt auf den ersten Eindruck vielleicht wie ein nostalgischer Soundtrack für einen Roadtrip durch Mexiko. Doch wer genauer hinhört (und Spanisch versteht), merkt schnell: Hier geht es um Pulver (Polvo, also Kokain), Räder (Ruedas, Luxusautos) und Cristal (Methamphetamin). Kurz gesagt: ein Song über das Leben im Schatten der Kartelle.
Hinter dem Song steht ein ganzes Genre mit langer Geschichte: Corrido – mexikanische Balladen, die Geschichten von Banditen, Helden, Liebe, sozialer Ungerechtigkeit oder historischen Ereignissen erzählen. Diese Form der musikalischen Geschichtsschreibung ist tief in der Kultur Mexikos verwurzelt. Daraus entwickelte sich später ein eigenes Subgenre: der Narcocorrido – Balladen, die das Leben und Sterben in den Drogenkartellen schildern. Mal warnend, mal bewundernd, mal ganz nüchtern berichtend.
Dieses Genre ist umstritten wie kaum ein anderes: Radios verweigern die Ausstrahlung, Konzerte werden abgesagt, Künstler:innen müssen teils hohe Strafen zahlen. Die mexikanische Regierung hat sogar Gefängnisstrafen für Musiker vorgeschlagen, die Drogendealer glorifizieren. Kritiker werfen den Songs vor, Gewalt und Kriminalität zu romantisieren. Befürworter sehen darin ein schonungsloses Abbild einer Realität, die in vielen Teilen Mexikos längst Alltag ist.

Die Parallelen zum Hip-Hop sind offensichtlich: Auch dort wird Künstler:innen oft vorgeworfen, Verbrechen zu verherrlichen. Doch genauso wie Rap aus Perspektivlosigkeit, Armut und Gewalt entsteht, spiegelt der Narcocorrido das Leben in einem Land, in dem Kartelle oft mehr Macht haben als der Staat. Schätzungen zufolge gibt es in Mexiko rund 200 kriminelle Gruppen; seit 2006 fielen dem Drogenkrieg über 450.000 Menschen zum Opfer, über 125.000 gelten noch immer als vermisst. Zum Vergleich: In Deutschland sind es insgesamt „nur“ etwa 10.000 Vermisste.
Auch für die Künstler selbst ist diese Welt gefährlich: Musiker, die Narcocorridos singen, geraten immer wieder ins Visier der Kartelle. Zum einen, weil die Texte oft konkrete Namen nennen oder Geschichten erzählen, die bestimmten Gruppen nicht gefallen. Zum anderen, weil die Musikszene auch als Mittel zur Geldwäsche dienen kann – und damit selbst Teil des kriminellen Netzwerks wird, das sie besingt.
So musste Peso Pluma, geboren 1999, im Jahr 2023 ein Konzert in Tijuana absagen, nachdem in der Stadt Drohungen gegen ihn aufgetaucht waren. Grund sollen seine Texte gewesen sein, in denen er unter anderem das Sinaloa-Kartell und dessen Boss „El Chapo“ lobend erwähnt – eine indirekte Beleidigung gegen rivalisierende Kartelle.
Peso Pluma wurde seit 2020 zu einem der meistgehörten Künstler Lateinamerikas und gehört spätestens seit 2023 auch weltweit zu den erfolgreichsten Vertretern seines Genres. Sein Stil: eine Mischung aus traditionellem Corrido mit Akkordeon, Tuba und Bajo sexto – und modernen Rap-Elementen. Seine Texte handeln von Luxus, Gewalt, Macht und Drogen – erzählt ohne Filter, oft kühl, manchmal stolz. Sein 2023 veröffentlichtes Album „Génesis“ landete auf Platz 3 der Billboard 200 – der höchste Rang den ein mexikanisches Album dort jemals erreichte.
„PRC“ selbst ist typisch für seinen Sound: ein lässiger Flow, melancholische Bläser – fast wie der Soundtrack zu einer Filmszene. Peso Pluma wirkt dabei so, als würde er sich zuhause fühlen in der Welt der Narcos. Der Song verurteilt nicht, erklärt nicht, rechtfertigt nicht – er erzählt einfach. Genau das macht ihn so faszinierend: Zwischen Hedonismus und leiser Bedrohung liegt immer eine spürbare Melancholie. Am Ende bleibt „PRC“ ein Spiegel: einerseits von Glanz und Reichtum, andererseits von einer bitteren Realität, die für viele Menschen in Mexiko Normalität ist.