Weekend Update: Song der Woche – Viagra Boys, Pyramid of Health

von | Juli 3, 2025

Viagra Boys

Viagra Boys – schon nach dem ersten Mal hören war das ein Bandname, den ich mir merken konnte. Wenn ich anderen von meiner schwedischen Lieblingsband erzähle, sorgt der Name entweder für lautes Lachen oder Kopfschütteln. Und auch die Reaktionen auf die Musik sind gespalten: Die Viagra Boys sind nicht für jede*n etwas – und ich glaube, nicht jede*r ist bereit für die Naturgewalt, die Frontmann Sebastian Murphy ist.

Nicht nur der absurde Name macht die Viagra Boys besonders, sondern auch ihr Sound, der meistens als Post-Punk bezeichnet wird, dabei aber mit Leichtigkeit Genre-Grenzen eintritt. Es wird laut, verzerrt, roh und unkonventionell – aber gleichzeitig auch psychedelisch, tanzbar, mehrdimensional und immer wieder überraschend.

Das Gesicht der Band ist Murphys chaotische Präsenz: meist oberkörperfrei, mit Tattoos übersät, schwitzend, selbstironisch und selbstsicher zugleich. Er wirkt gleichzeitig gefährlich und gefährdet, verloren und doch völlig in seinem Element. Seine Texte mischen bissige Gesellschaftskritik mit schonungsloser Ehrlichkeit, absurder Bildsprache und Fragmenten aus seinem Unterbewusstsein, deren Bedeutung er oft selbst nicht ganz kennt. Sein Gesang pendelt zwischen Sprechen und Singen, klingt manchmal wie betäubt und immer ein bisschen verkatert.

Murphy selbst hat offen über seine frühere Abhängigkeit von Amphetaminen, Valium und Alkohol gesprochen. Mittlerweile hat er sein Leben umgekrempelt. Geboren in Kalifornien, zog er als Teenager nach Stockholm und arbeitete dort als Tätowierer. Die Gründungsgeschichte der Band kann man sich nicht ausdenken: Murphy sang bei einem Karaoke-Abend Mariah Careys „We Belong Together“ – und wurde dabei von zwei anderen Bandmitgliedern entdeckt.

Der musikalische Background der Band ist so vielseitig wie ihre Songs: Oskar Carls (Saxofon, Gitarre), Linus Hillborg (Gitarre), Henrik Höckert (Bass), Elias Jungqvist (Keyboard) und Tor Sjödén (Schlagzeug) bringen Einflüsse von Jazz bis Punk mit. Hinter der rohen Fassade liegen oft simple Songstrukturen, die sie mit verspielten Riffs, Synthies und atmosphärischen Sounds bis zum Anschlag füllen. Jeder Song klingt eindeutig nach Viagra Boys – und keine andere Band klingt wie sie.

Der Song Pyramid of Health vom Album viagr aboys serviert alles, was die Band gut kann, auf einem Teller. Textlich rechnet Murphy mit dem Selbstoptimierungswahn ab, der auf Social Media genauso resistent und nervig ist wie Lebensmittelmotten in der Küche. Er parodiert die unerfüllbaren Versprechen von Influencer:innen und Unternehmen, die behaupten, dass du in wenigen Schritten dein Leben perfektionieren kannst. Dass normale menschliche Empfindungen wie Müdigkeit oder Traurigkeit behandelt werden müssten – natürlich gegen Geld. Der Song beginnt wortwörtlich mit einer Magenspiegelung und dem Versprechen, dem Tod in sieben Schritten entkommen zu können – und endet mit spiritueller Transformation und der Erkenntnis, dass die Erde eine Pyramide ist und Gott ein kleiner grüner Wurm.

Murphys Performance klingt gewohnt zynisch, desinteressiert und gleichzeitig einfach saucool. Musikalisch untermauert wird das Ganze von psychedelischen Sounds, staubigen Gitarren und einem schleppenden Rhythmus, der komplett hypnotisiert. Beim Schreiben für diesen Artikel (der Song der Woche läuft dabei selbstverständlich in Dauerschleife) entdecke ich außerdem immer neue Schichten im Song, der trotz seiner Wand aus Sound unglaublich sauber produziert ist.

Falls ihr jetzt Lust bekommen habt, euch auf eine wilde musikalische Reise zu begeben, habe ich gute Neuigkeiten: Die Viagra Boys veröffentlichen seit 2018 fleißig Alben, und es gibt viele richtig gute Songs zu entdecken – aber nur, wenn ihr bereit für diese Band seid.


Tom Krupka
©photo Fredrik Bengtsson

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