Ganz egal, ob Klimaschutz oder gute Vorsätze für das neue Jahr: auffällig oft geht es um Einschränkungen. Die Nachbarin verzichtet auf Fleisch, der Geschäftsmann verzichtet auf innerdeutsche Flüge, die Familie verzichtet auf den Skiurlaub, die Tante verzichtet auf die jährliche Kreuzfahrt, ich verzichte auf Zucker.
Der Kegelclub verzichtet im Januar auf Alkohol!
Immer, wenn man auf etwas „verzichten“ muss, bekommt die positive Handlung einen negativen Beigeschmack. Man „verzichtet“ darauf, seinen Körper mit einem Zellgift zu ruinieren?
So harmlos das Wort „verzichten“ auch klingt, es romantisiert schlechte Angewohnheiten und lässt Schädliches erstrebenswert erscheinen. Es ist eine tückische Falle für unser Unterbewusstsein, das fast sofort beginnt, die Landebahn unseres Scheiterns mit einem Schaumteppich auf den Crash vorzubereiten.
Politiker müssten das eigentlich am besten wissen: man kann weder sich selbst noch andere für Verzicht begeistern. Und doch wird Klimapolitik oft genauso „verkauft“. Mit ernster bis todtrauriger Stimme wird zu dringend notwendigen Maßnahmen aufgerufen, wird zu Verzicht und Mäßigung ermahnt.
Framing – nicht den Verlust, sondern den Gewinn in den Fokus stellen
Bei einem in „Science“ 1981 veröffentlichen Versuch haben die beiden Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky eindeutig nachweisen können, dass die gegensätzliche Beschreibung von Konsequenzen einer Handlung völlig unterschiedliche Entscheidungen zur Folge hat. Etwas vereinfacht dargestellt wurden bei dem Versuch Personen vor die Wahl gestellt: eine Impfung rettet 200 von 600 Menschen. So formuliert wählte die Mehrheit diese Variante. Wurde dagegen geschildert, dass 400 von 600 Menschen sterben würden, wählte die Mehrheit die andere der vorgestellten Möglichkeiten.
Wer sich intensiver mit Framing beschäftigen möchte: Im „Spektrum“ gibt es einen sehr guten Artikel zu dem Thema, der auch den oben genannten Versuch komplett beschreibt. Hier geht es zum Artikel –>
Mit der Theorie des Framing im Hinterkopf wird klar, warum Maßnahmen zum Klimaschutz so oft Opfer von Hetz-Kampagnen werden. Es fällt sehr leicht, die negativen Folgen für unser gewohntes Leben in den Vordergrund zu stellen.
Aufgabe von Politikern und Verantwortlichen sollte also sein, etwas länger und intensiver nachzudenken. Es geht nicht nur darum, wie sinnvoll eine Maßnahme ist oder ob sie in ein Haushaltsbudget passt, sondern auch welchen individuellen Vorteil – oder sogar Gewinn – Menschen von den vorgestellten Maßnahmen haben.
Das dauert zugegebenermaßen etwas länger, entscheidet aber zu einem sehr großen Teil über Erfolg oder Misserfolg.
Gut fürs Klima, gut für Vorsätze
Framing ist ein so starker Faktor, dass wir uns damit auch selbst für Erfolg konditionieren können. Leider muss man dafür auch erst einmal nachdenken. „Ich verzichte auf Zucker“ sagt sich sehr leicht, aber was will man eigentlich gewinnen? Und wie kann man dies sichtbar oder messbar machen? Dazu ist, je nach Thema, etwas Vorbereitung nötig. Aber bei vielen „Verzicht“-Themen wird man etwas finden.
Messbar besserer Blutzucker, sichtbar niedrigeres Gewicht, spürbar bessere Darmflora – die Punkte sind individuell verschieden, aber alle relevant.
Oft reicht das Verständnis für diese Vorgehensweise schon, um gute Vorsätze erfolgreich umzusetzen – manchmal aber eben noch nicht. Nicht jeder kann mit der Aussicht auf eine Belohnung in der Zukunft etwas anfangen. Auch hier muss man gegen die Tücken des Unterbewusstseins arbeiten.
Typ „sofort“ oder Typ „Belohnung morgen“
Auch Eltern von zwei ansonsten sehr ähnlichen Kindern stellen oft fest, dass es in Sachen Belohnungssysteme zwei unterschiedliche Charaktere gibt. Wenn man mehreren Kindern z.B. einen Keks gibt und dazu zwei Handlungen anbietet: „entweder sofort essen oder aufheben, nur dann gibt es morgen einen zweiten“ wird sich die Gruppe immer ziemlich offensichtlich in zwei Teile spalten. Das gilt auch für Taschengeld oder Klimaschutzmaßnahmen. Nicht alle können glücklich auf eine Belohnung in der Zukunft warten.
Immer, wenn also jemand argumentiert, dass wir durch Klimaschutzmaßnahmen in 20 Jahren besser leben werden oder in 16 Wochen gesünder und schlanker sind, verliert er einen großen Teil des Publikums.
Auch hier hilft es, die Handlung an einen kurzfristig erreichbaren Gewinn zu ketten. Die gute Nachricht: dieser muss nicht unbedingt mit dem langfristigen Erfolg zusammenhängen.
Damit kommt an dieser Stelle ein Aufruf an alle Politiker, Kommunikatoren oder Entscheider über den eigenen Neujahrsvorsatz: denkt lieber nochmal etwas länger nach, was Leute wirklich bewegt. Die rational richtige Aussage „weil es gut für die Umwelt oder die Gesundheit ist“ reicht oft nicht.
Foto von Ian Schneider auf Unsplash