Jörg Schneider ist als „Head of Climate Protection and Energy“ für die grüne Transformation bei DB Cargo zuständig – und genau der richtige Gesprächspartner für unser Lieblingsthema: Wie können wir Klimaschutz und Erhalt des wirtschaftlichen Status gleichzeitig ermöglichen?
Was hat Sie bewogen, die neue Abteilung Climate Protection and Energy bei DB Cargo zu übernehmen?
Das Thema Klimaschutz ist für mich eine Herzensangelegenheit. Ich bin der festen Überzeugung, dass wirtschaftliche Unternehmensinteressen nicht im Widerspruch zum Klimaschutz stehen. Vielmehr ist es so, dass in vielen Wirtschaftsunternehmen das Thema Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie verankert ist und immer mehr zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil wird. Dafür müssen jedoch die passsenden Rahmenbedingung geschaffen und die richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Mit der Abteilung Climate Protection and Energy gehe ich genau diese Themen an. Das ist mein Antrieb.
Der Schienengüterverkehr erfüllt eine zentrale Funktion für die Versorgung der europäischen Wirtschaft und Bevölkerung. Ein Güterzug ersetzt bis zu 52 Lkw. Diese würden ansonsten im Stop-and-go-Verkehr in den Innenstädten oder auf Autobahnen unnötig Sprit verbrennen. Eine Belastung für das Klima und die Menschen. Der Transport auf der Schiene spart über 80 % Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Transport auf der Straße. Das hat unheimlich viel Potenzial für die Zukunft. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass in Zukunft eine klimaneutrale und umweltfreundliche Welt sogar kostengünstiger sein kann als jetzt.
Privat engagieren Sie sich auch für Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Welches sind die größten Überschneidungen zwischen Ihrem Berufs- und Privatleben?
Wir verdanken unseren Eltern und Großeltern, dass wir in Deutschland in einer Wohlstandsgesellschaft leben und von einem modernen und chancenorientierten Bildungssystem profitieren. Das hat auch mir die Möglichkeit eröffnet, studieren zu können. Ich habe mich schon früh mit dem Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit auseinandergesetzt und jetzt ist spätestens der Zeitpunkt, gewisse Dinge und Verhaltensstandards zu hinterfragen: Was ist jetzt überhaupt noch zeitgemäß bzw. im Sinne des Klimaschutzes?
Eine gewisse nachhaltige Grundeinstellung dafür wurde mir schon von zu Hause aus mitgegeben. Als Jüngster in der Familie kenne ich es gar nicht anders, als Kleidung aufzutragen. Im übertragenen Sinne könnte man fast sagen, eine frühe Form des „Upcycling“. Und als Berliner fahre ich in überfüllten Innenstädten auch nicht freiwillig mit dem Auto, sondern nur, wenn es gar nicht anders geht. Das halte ich in der Rhein-Main-Region immer noch so: Ich laufe jeden Morgen ins Büro und leiste dadurch einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz.
Im Beruf habe ich einen noch viel größeren Stellhebel. Was ich hier anstoße, hat richtig große Auswirkungen. So etwas zu erkennen, weckt Begeisterung.
Sind Ihre Aktivitäten mit anderen Unternehmen aus der Logistikbranche verzahnt? Koordinieren Sie Ihre Aktivitäten mit Kollegen in anderen Ländern?
Da findet viel Austausch statt, auch fachlich. Aber natürlich unter ganz klar definierten Spielregeln, also Regulierungsvorgaben, die wir einhalten müssen. Gemeinsam kommt man eher zum Ziel, und bestimmte Lösungen für den Sektor lassen sich so schneller realisieren. Das betrifft besonders innovative Technologien, die dem Klimaschutz zugutekommen, denn Klimaschutz hört nicht an Landesgrenzen auf. Es gibt viele unterschiedliche Maßnahmen und Wege, aber uns eint das Ziel, dass die Logistik insgesamt klimafreundlicher werden muss. Viele Emissionen entstehen entlang der Logistikketten.
Wie stark beeinflusst die Infrastruktur Ihrer Meinung nach die Zukunft von DB Cargo?
Die Bundesrepublik und auch Europa haben sich verpflichtet, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern und dadurch die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor zu senken. Deshalb baut die DB ein sogenanntes Hochleistungs-Schienennetz aus. Durch die Modernisierung verschiedener Verkehrskorridore entstehen mehr Kapazitäten, um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen. Die Generalsanierung hilft perspektivisch, die Schiene noch leistungsfähiger und zuverlässiger zu machen.
Welche – auch gesetzliche – Änderungen würden Sie sich sofort wünschen, wenn Sie könnten?
Erstens würde ich mir natürlich wünschen, dass klimafreundliche Energieträger immer steuerlich besser behandelt werden als nicht klimafreundliche. Das würde dann sehr deutliche Anreize bieten, diese statt fossiler Energieträger einzusetzen. Die zweite Sache, die ich mir wünsche, wäre, dass der Aufbau von Infrastrukturen und die Versorgung der Schiene mit klimafreundlichen Energieträgern noch stärker gefördert werden. Nur durch eine flächendeckende Nutzung von umweltfreundlichen Energieträgern entsteht ein nachhaltiger Beitrag zum Klimaschutz. Drittens wäre eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren super. Viele Sachen sind in der Pipeline, aber wir kriegen die PS einfach nicht auf die Schiene.
Was ist Ihre persönliche Vision, Ihr Traum einer nachhaltigen Transportwirtschaft?
Mein Traum wäre, dass das umweltfreundlichste Verkehrsmittel auch immer das wirtschaftlichste ist. Bis es so weit ist, wäre es schön, wenn bei der Wahl des Transportmittels nicht nur wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen, sondern auch Klima- und Umweltschutz. Es geht um eine ganzheitliche Betrachtung, und dazu gehören auch die Folgekosten, die manche Verkehrsträger erzeugen und von der Gesellschaft zu zahlen sind.
Was bedeutet das für eine Just-in-time Lieferung?
Just-in-time- oder Just-in-sequence-Lieferungen stehen nicht im Widerspruch zum Klimaschutz oder zu Transporten auf der umweltfreundlichen Schiene. Solche Logistikkonzepte setzen wir schon heute um, beispielsweise für Kunden aus der Automobilindustrie. Hier richten wir uns stets nach den Bedürfnissen unserer Kunden.
Was sind weitere Vorteile der Bahn im Vergleich zum Lkw?
Die Bahn ist ein verlässliches und nachhaltiges Verkehrsmittel. Erinnern wir uns nur ein paar Jahre zurück an die Corona-Krise, da durfte zeitweise kein Lkw mehr über Landesgrenzen fahren. Die Bahn ist ohne Einschränkungen weitergefahren und wir haben beispielsweise ganz Deutschland mit Nudeln aus Italien versorgt – der Pasta-Express – oder die Versorgung mit dringend benötigten Hygieneartikeln sichergestellt.
Welche drei kurzfristigen Ziele – also Teilerfolge, die den Weg in die richtige Richtung markieren – möchten Sie demnächst erreichen?
Erster Punkt: Wir möchten dieses Jahr 20 Prozent des fossilen Dieselverbrauchs der DB Cargo AG durch den umweltfreundlichen Kraftstoff HVO ersetzen – das entspricht ca. 10 Millionen Litern. Zweitens möchten wir dieses Jahr mit der energetischen Sanierung von zwei unserer größten Instandhaltungswerke beginnen. Dies beinhaltet auch die Installation von Photovoltaik-Anlagen und klimaneutralen Heizanlagen. Drittens möchten wir ein Energiemanagementsystem nach ISO 50001 bei der DB Cargo AG einführen, um noch stärker das Thema Klimaschutz im Unternehmen zu verankern und sichtbar zu machen. Das sind unsere drei Kurzfristziele für dieses Jahr, die dann auch wirklich einen messbaren Klimaschutzbeitrag leisten und den Verkehrsträger Schiene noch grüner machen.
Sie lehren auch als Dozent an einer Hochschule: Wie inspirieren Sie junge Menschen, Student:innen für das Thema?
Die Jugend wird heutzutage in einer zunehmend digitalen Welt groß, in der die Nutzung digitaler Medien einen großen Teil des Alltags beherrscht. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung noch verschärft. Zugleich nehme ich wahr, dass in der jungen Generation ein Bewusstsein für Zukunftsthemen und auch ein massiver Drang nach Veränderung herrscht. Meine Aufgabe sehe ich darin, diesen jungen Leuten zu zeigen, wie sie sich aktiv selbst einbringen und einen echten Wertbeitrag für den Klimaschutz leisten können. Wenn Studenten in meiner Abteilung eine Praxisphase absolvieren, dann bekommen sie immer ein ganz konkretes Thema mit einem messbaren Klimaschutzbeitrag. Junge Menschen wollen nicht den ausgetretenen Pfaden folgen, sondern selbst Lösungen finden. Wenn jemand eine gute Idee hat, wie wir als DB Cargo beim Klimaschutz noch besser werden können, dann sind wir für diese Idee aufgeschlossen. Wir probieren das aus und schauen, ob es funktioniert. Und das macht für die jungen Leute das Arbeiten bei uns attraktiv. Deshalb haben wir als DB und DB Cargo auch viele Hochschulkooperationen, weil wir genau das suchen, unkonventionelle Ideen und neue Herangehensweisen. Und da sehe ich meine Rolle: aus Visionen, Wünschen und Forderungen ganz konkrete Maßnahmen zu gestalten, die in der Praxis auch wirklich etwas bewirken.
Das ist ein schönes Schlusswort. Vielen Dank, Herr Schneider, für das nette Gespräch.