IAA 2025: Ich, autofrei – auch 2025

von | Sep. 5, 2025

Junge Frau lacht auf dem Beifahrersitz eines Autos – Symbol für Passenger Princess Lifestyle, autofrei leben und Mobilität ohne Führerschein. IAA

Die IAA 2025 rückt näher – für viele DAS Auto-Event des Jahres (nicht zuletzt für meinen Chef, dessen Beitrag du hier findest). Ab dem 9. September verwandelt sich München wieder in ein riesiges Schaufenster für die Mobilität der Zukunft: Elektroautos, Carsharing, autonomes Fahren und nachhaltige Verkehrskonzepte stehen im Fokus. Doch darf ich als Führerscheinlose überhaupt über die heiligen drei Buchstaben sprechen? Ich weiß es nicht.

Aber was ich sehr genau weiß: Wie es ist, mit fast 30 immer noch Passenger Princess zu sein – und warum der Führerschein das längste Projekt meines Lebens ist…

Meine Führerschein-Historie

2015 habe ich das Projekt Führerschein begonnen. Theorieunterricht, Fahrstunden im Herzen Frankfurts, Erste-Hilfe-Kurs – das volle Programm. Ich war motiviert und hatte Spaß am Fahren-Lernen. Doch dann kam die Zusage der Uni und damit der erste Umzug in eine neue Stadt, die erste Klausurenphase und die ersten WG-Partys in Wohnungen, die ich nüchtern niemals betreten hätte.

Kurz gefasst: Die Prioritäten lagen wo anders, die Zeit ging ins Land und plötzlich waren die Fahr- und Theoriestunden verfallen. Ich wusste bis dahin nicht mal, dass das möglich ist. Ich habe also nicht nur eine Menge Lebenszeit verballert, sondern auch ordentlich Geld. In Zeiten von Bafög-Anträgen und meinem monotonen Nebenjob im Einzelhandel war das wirklich alles andere als optimal. Aber ich war mir sicher: irgendwann werd ich schon meinen Führerschein machen.

2024 dann der zweite Anlauf: mir wurde eine Fahrschule direkt ums Eck empfohlen. Theorie-App runtergeladen, Karteikarten raus, Bremswege rauf und runter gerechnet. Während ich über Fragen zu Vorfahrtsregeln sitze, frage ich mich ernsthaft, ob ich jemals in meinem Leben während einer Fahrt den Bremsweg ausrechne. Und auch hier kommt seit 1,5 Jahren mal wieder das Leben in die Quere. Es ist einfach immer irgendwas wichtiger als dieser Führerschein, zum Beispiel das Sauerteig-Brot, das heute Nachmittag noch gebacken werden muss!

Straßenschild mit roter Aufschrift ‚Changed Priorities Ahead‘ in einer europäischen Innenstadt – Symbol für Verkehr, Mobilität und Wandel. IAA

Passenger Princess – ein Lebensstil

Es sind inzwischen Jahre, fast schon Jahrzehnte vergangen, in denen ich mich wirklich gut ans autofreie Leben gewöhnen konnte. Als Studentin hatte ich immer ein Semesterticket, das ich ausgiebig nutzte. Kurzstrecken sind sowieso zu Fuß machbar, dabei fülle ich ganz nebenbei auch die Aktivitätsringe meiner Smartwatch – win-win! 

Ohne Führerschein und demnach ohne Auto musste ich nie panisch Tankstellen suchen, nie an TÜV-Termine denken, nie im Parkhaus verzweifelt Kreise drehen. Stattdessen konnte ich mich entspannt in den Zug setzen, Podcasts hören, Hausarbeiten tippen oder einfach pennen – und war dabei auch noch klimafreundlich unterwegs. Kein Stau, kein Frust, kein Stress. Und wenn ich doch mal irgendwohin musste, wo keine Bahn fährt? Mitfahrgelegenheiten wie Blablacar haben mich zuverlässig gerettet – oft sogar günstiger als das Ticket für die Bahn.

Und nicht zu vergessen: meine liebsten Freund*innen, die mich so lieb haben, dass sie mich seit jeher von A nach B fahren, mich abholen, mit mir Großeinkäufe machen. Als Gegenleistung gibt’s zwar die feinste Unterhaltung, aber dafür die schlechtesten Navigationskünste der Welt: „In 250 Metern kommt so ein Rechtsschwenk, der aber gradeaus anzeigt.. ACHSO NEIN IN 25 METERN, SORRY“. Naja, bisher sind wir aber immer irgendwie ans Ziel gekommen.

Langsam habe ich mich also mit meiner Rolle als Passenger Princess abgefunden, fast schon angefreundet. Ich bin die Person, die im Auto Snacks reicht, die Musik kuratiert und Google Maps bedient. Das hat offensichtlich Vorteile, aber es gibt auch Schattenseiten: Spontane Roadtrips? Nur, wenn jemand anderes Bock hat. Flexibilität? Nur, wenn der Blablacar-Fahrer bereit für einen Umweg ist. Großeinkauf machen? Viel Spaß beim Schleppen.

Mich zu fragen, wie es denn mit dem Führerschein läuft, ist inzwischen fast schon ein Meme geworden. Meine Antwort? Meistens dieselbe wie auf die Frage, ob ich mit der Masterthesis vorankomme: Ohne meinen Anwalt darf ich mich dazu nicht äußern. Sollte mir das alles einmal zu blöd werden, hab ich ja immernoch mein Mantra: irgendwann werd ich schon meinen Führerschein machen.

Brauche ich den Lappen überhaupt noch?

Während ich noch versuche, jegliche Versionen der Theoriefragen zu verinnerlichen, zeigen Hersteller auf der IAA 2025 eine Zukunft, in der Autos selbst fahren. Vielleicht sitze ich also schon bald in einem Auto, das mich ganz ohne Führerschein überall hinbringt. Ironischerweise könnte mein „Versagen“ also genau die Realität widerspiegeln, auf die wir gerade zusteuern.

Denn was heute noch als Unabhängigkeitssymbol gilt – der Führerschein – verliert langsam an Gewicht. Immer mehr Menschen in Städten leben autofrei, nutzen Carsharing, E-Bikes oder schlicht die Bahn. Vielleicht ist das gar nicht Plan B, sondern die eigentliche Richtung: weniger Besitz, mehr geteilte Mobilität.

Für mich heißt das: Ich muss mich nicht schlecht fühlen, weil ich immer noch keine rosa Plastikkarte im Portemonnaie habe. Vielleicht bin ich gar nicht die Nachzüglerin, sondern die Early Adopterin einer Welt, in der Autofreiheit nicht Verzicht bedeutet, sondern Freiheit neu definiert. Und wer weiß – wenn das selbstfahrende Auto tatsächlich bald Realität wird, kann ich mir den ganzen Stress mit Bremswegen und Vorfahrtsregeln ohnehin sparen.

Bis dahin bleibe ich liebend gerne Passenger Princess. Mit Snacks, guter Musik und der beruhigenden Gewissheit: irgendwann werd ich schon meinen Führerschein machen.


Text: Chrissy
Titelbild: Frank van Hulst auf Unsplash

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