Um der dann doch langsam an Fahrt gewinnenden Digitalisierung unter die Arme zu greifen, kann man Kernkraftwerke planen – oder versuchen, die Datenmengen möglichst klein zu halten – zum Beispiel mit nachhaltigen Websites und Green Web. Denn Nachhaltigkeit ist schlauer, meint Dr. Torsten Beyer, und wir hören gespannt zu …
Hallo Torsten, schön, dass du dir für uns Zeit nimmst. Erzähl doch mal, wer du bist und wie du da gelandet bist, wo du heute stehst.
Mein Name ist Torsten Beyer, 57 Jahre. Ich bin gebürtiger Saarländer, habe Chemie studiert und mich hat es schon vor über 20 Jahren hierhin nach Hessen verschlagen.
Woher kam dein Interesse für die Chemie?
Ich hatte schon als Kind einen Computer, einen Commodore 64. Das war mein Einstieg ins Internet. Das hat mich unheimlich fasziniert. Ich habe dann aber trotzdem Chemie studiert und nicht Informatik, weil mir das greifbarer war.
Ich bin von der Uni direkt in die Selbstständigkeit gegangen – was eher untypisch ist – weil ich mich gefragt habe, wie ich die Chemie mit der Informatik und dem Internet verbinden kann. Das gab es damals auf dem Arbeitsmarkt überhaupt nicht. Also habe ich dann eben die Dr. Beyer Internet-Beratung gegründet und den Leuten erstmal erklärt, was dieses Internet überhaupt ist.
Damals war das ja noch neu und die Leute haben gesagt: „Geh mir weg mit dem Zeug!“.
Und heute haben wir Künstliche Intelligenz. Da hat jemand mal gesagt, das sei die größte Revolution seit Gutenberg und dem Buchdruck – nur, die meisten Leute haben die Auswirkungen noch nicht verstanden. So wie sie in den 90er-Jahren nicht verstanden haben, dass das Internet eine extreme Umwälzung und Veränderung in vielerlei Hinsicht mit sich bringen wird.
Ich bin damals herumgereist, habe den Leuten erklärt, was dieses Internet ist, und gleichzeitig die „Analytik NEWS“ gegründet. Ein Online-Magazin, das bis heute existiert und in seiner kleinen Nische in Deutschland sehr bekannt ist. Das war damals eine Revolution, dass man sich plötzlich als Einzelner gegen große Verlage etablieren konnte.
Google wurde im selben Jahr gegründet, 1998. Die haben einfach eine Suchmaske ins Netz gestellt – ohne Marketing.
Da kamen viel bessere Ergebnisse raus als mit AltaVista, was damals die führende Suchmaschine war. Und dann haben sie es in einem Jahr von null auf 90 % Marktanteil geschafft. So steile Erfolgsgeschichten kannte man vor dem Internet nicht. Klar, du konntest auch vorher ein super Produkt entwickeln, aber in einem Jahr ohne Marketing Weltmarktführer zu werden, das muss man erstmal schaffen. Die Amerikaner machen halt einfach. In Deutschland ist es eher so, dass wir viel nachdenken oder viele Bedenken haben, dass etwas deswegen, deswegen und deswegen nicht geht. Und das Killer-Argument für alles ist immer der Datenschutz, was oft vorgeschoben ist.
Wir hätten zum Beispiel mit KI super Möglichkeiten in der Medizin. Aber wenn man sich die bisherigen Erfahrungen mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen in Deutschland ansieht, kann man nicht sehr optimistisch sein.
Dass wir immer nur bis zur nächsten Wahl oder zum nächsten Quartalsende denken, ist schade. Denn viele mittelständische Unternehmen machen ja ganz innovative Dinge.
Die werden aber von den großen Unternehmen ausgebremst, die dann zum Beispiel ihre Patente aufkaufen. Oder können Innovationen nicht an den Markt bringen, weil die Großunternehmen ihre alten Wirtschaftszweige konservieren wollen.
Ich habe gerade das Buch „Das 60 %-Potenzial“ gelesen. Da geht es speziell um die grüne Transformation und warum die nicht in der breiten Masse ankommt. Dort heißt es, die 20 %, die enthusiastisch sind, die hast du sowieso immer in der Tasche. Denen musst du nichts beweisen mit Marketing. Aber die 60 %, das sind all die Bequemen, die du nicht einfach so überzeugen kannst. Die müssen sehen, dass eine Innovation keinen Nachteil gegenüber ihren Gewohnheiten hat.
Die letzten 20 %, die erreichst du sowieso mit nichts. Die musst du abschreiben.

Das heißt, du musst die 20 %, die sowieso überzeugt sind, so bedienen, dass sie den 60 % den Nutzen vorleben?
Genau, dafür braucht es aber Vertrauen, was im Moment massiv durch aktuelle Entwicklungen in Politik und Social Media zerstört wird. Falschinformationen, Desinformation, Bots, Trolle – und bald keine traditionelle Lokalzeitung mehr in der Nähe, die ausgewogen und unabhängig berichtet, so wie heute schon in den USA.
Unser Magazin „Analytik NEWS“ ist so ein Informationsfilter für die offenen 20 %. Wir haben uns seit den 90er-Jahren Vertrauen aufgebaut, filtern die Informationen für eine bestimmte Nische und suchen die passenden Sachen raus.
Wenn man z.B. unseren Newsletter liest, den es schon über 25 Jahre gibt, dann ist man informiert und kann sich selbst die stundenlange Recherche sparen, weil man unseren Inhalten vertrauen kann. Das passiert aber nicht über Nacht und auch nicht für breite Themen, sondern nur in einer Nische, in der man kompetent ist.
Es gibt einen schönen Spruch von Vince Ebert. Der hat mal gesagt: „Denken Sie selbst, sonst tun es andere für Sie.“. Und das ist eigentlich genau der Kern.
Wie kamst du denn aber von der Chemie-IT-Kombi zur Nachhaltigkeit und Green Web?
Ich bin rumgereist, hab das Internet erklärt, dann gab es das Online-Magazin und nebenbei habe ich immer schon an Webseiten geschraubt und die schnell, übersichtlich, nutzerfreundlich gemacht.
Irgendwann kam bei mir der Switch und ich habe gedacht: „Mensch, warum hast du das nicht gemerkt: Du hast doch da ein ideales Betätigungsfeld für einen Chemiker!“.
Ich hatte die Chemie, bin in der IT, aber es ist ja auch nachhaltig, wenn eine Seite übersichtlich und schnell ist und dabei noch datensparsam aufgebaut ist. Und dieses Dreieck ergibt dann eine gewisse Einzigartigkeit.
Jörg Schieb, ein Digitalexperte, hat das mal in einem Zitat auf den Punkt gebracht: „Bits sind die Atome der digitalen Welt.“
Das heißt, aus Bits baue ich Software. Die kann gut oder schlecht sein, die kann nachhaltig oder nicht nachhaltig sein. Aus Atomen ist ja auch alles aufgebaut, was die Chemiker so produzieren. Da sind auch gute und schlechte Sachen dabei. Und am Ende musst du halt sehen, dass du das in den richtigen Zusammenhang bringst, also die Bits, die Atome und die Nachhaltigkeit.
In diesem Dreieck kann man sich sehr gut bewegen.
Es gibt Bücher wie „World Wide Waste“, das ich jedem empfehlen kann, der überhaupt einen Einstieg in das Thema sucht. Die meisten Leute denken ja: „Mein Smartphone braucht drei Euro Strom im Jahr und da kann das Internet ja auch nicht so schlimm sein.“ Das Smartphone ist dabei aber nicht relevant, das ist das am höchsten optimierte Gerät, das es gibt. Das Problem ist eher das, was wir damit anstellen. Wenn wir Videos konsumieren oder noch viel schlimmer: Wenn wir heute über KI Videos generieren, das sind die richtigen Stromfresser.
Das ist wahrscheinlich ein Argument für gewisse Lobbykreise zu sagen, dass wir mehr Rechenzentren in Deutschland brauchen. Wir sitzen hier im Rhein-Main-Gebiet, das ist nicht der beste Standort für Rechenzentren, die müssten wir im Norden bauen. In Skandinavien oder Island brauche ich für die Kühlung der Server fast gar keine Energie aufzuwenden, denn wenn es 7 Grad Außentemperatur hat, brauchst du nicht kühlen.
Hilft dir dein Hintergrundwissen als Chemiker dabei, Nachhaltigkeit zu beurteilen? Die meisten Leute wissen nicht, was Green Web ist und wie viel Energie für die Kühlung von Servern benötigt wird oder was für Materialien z.B. für Batterien verwendet werden.
Ja klar, dabei hilft es natürlich, wenn du Chemie studiert hast. Batterien sind ein gutes Beispiel: Lithium ist für den normalen Bürger ein Element wie Natrium, aus dem Kochsalz zur Hälfte besteht. Wir könnten Batterien bald mit Natrium statt mit Lithium bauen. Und der Chemiker weiß: Kochsalz ist unbegrenzt und leicht verfügbar, Lithium nicht. Und damit hätten wir viele Probleme gelöst, weil wir nicht die Natur zerstören müssen, um Lithium abzubauen.
Bei solchen Einschätzungen hilft dir natürlich schon, wenn du weißt, wo Elemente vorkommen oder wie problematisch der Abbau ist. Kinderarbeit, schlechte Arbeitsbedingungen, schlechte Löhne – das blenden wir oft aus. Wir müssen generell Lieferketten besser hinterfragen.
Und oft haben wir bei dem Endprodukt auch extreme Probleme, das wieder in den Kreislauf zurückzuführen, wenn es nicht mehr benötigt wird.
Die Natur ist da hingegen ja ganz schlau.
Die macht die Photosynthese mit Sonnenlicht, Wasser, CO2 und ein bisschen Magie – wir Chemiker nennen das Katalysatoren – und dann wachsen daraus wieder Bäume oder Biomasse wird gebildet. Wir müssen uns bei allen Prozessen die Natur als Vorbild nehmen.
Wir können viele Prozesse sinnvoll nachbauen, aber wir sind meistens schlechter als die Natur, weil wir viel mehr Energie brauchen. Das liegt dann daran, weil wir das Ergebnis schneller oder billiger haben wollen oder den Prozess doch noch nicht verstanden haben.
Und wenn wir die Gleichgewichte stören, dann hat natürlich auch die Natur ein Problem, weil die nicht so schnell reagieren kann. Aber wir müssen uns immer gewahr sein: Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen eine funktionierende Natur.
Und ja: Wir müssen die CO2-Emissionen reduzieren, egal wo.
Der Staat fördert oft temporäre, nicht-nachhaltige Projekte mit viel Geld, die dann nach einer gewissen Zeit nicht mehr nötig sind, was ja auch ein Wahnsinn ist. Das sind oft kurzfristige, falsche Anreize. Wir müssen viel langfristiger denken lernen.
Können Menschen langfristig denken oder müsste man ihnen nicht besser kurzfristigen Benefit versprechen?
Ja klar, man muss auch die kurzfristigen Vorteile aufzeigen, zum Beispiel, wenn man unabhängiger von Großkonzernen wird. Das sieht man auch in meiner Heimat, dem Saarland, wo gerade mit dem Weggang von Ford die Autoindustrie wegbricht. Da braucht es jetzt kleinere Start-ups, die in Antriebssysteme oder KI investieren. Das sind nicht so große Flaggschiffe wie die Autokonzerne, sondern viele kleine innovative Firmen, die viel schneller reagieren können. In Bochum haben sie das am ehemaligen Opel-Standort vorgemacht.
Das ist vielleicht auch eine Chance für andere Branchen. Viele Kleine sind viel flinker als ein Großer.
Sieh dir auch mal an, was in Paris passiert. Die Luftqualität soll sich in den letzten 15 Jahren so extrem verbessert haben, weil die nicht mehr „Auto first“ gesagt haben, sondern die Autos immer weiter rausdrängen und Radwege gebaut haben. Das ist auch für die Menschen viel lebenswerter, viel weniger Stress. Das sollte auch ein Beispiel für andere Städte sein. Wir sollten immer die positiven Seiten sehen und von denen, wo es funktioniert hat, lernen.
Deswegen ist ja auch meine Mission, den Leuten nicht zu sagen: „Du musst, du sollst, du darfst nicht …“, sondern: „Ich hab hier ein Angebot, schau dir das doch mal an.“ Und bestenfalls denkt dann jemand, dass er das mal ausprobieren könnte, weil das Angebot einen nicht einschränkt, man dadurch Geld spart und gleichzeitig noch was Gutes für die Umwelt und die Natur macht.
Wie lässt sich das denn auf die von dir gebauten nachhaltigen Websites und Green Web übertragen?
Die höhere Ladegeschwindigkeit der Seiten ist nur ein Argument. Du kannst aber auch eine Menge Ressourcen sparen.
Eine durchschnittliche Webseite hat zweieinhalb Megabyte. Das kann man exakt messen und sogar bilanzieren. So wie ich eine Bilanz für jedes Produkt herstellen kann, kann ich auch für jedes virtuelle Produkt einen CO2-Fussabdruck ermitteln. Das wissen viele noch nicht.
Viele denken ja, das Internet braucht eigentlich gar nicht viel Strom. Aber jetzt mal bildlich gesprochen: Wenn das Internet ein Land wäre, würde es schon bald so viel Strom wie die USA verbrauchen. Das Internet kannst du leider nicht einfach aufräumen.
Wir häufen immer mehr Datenmüll an, es ist wie eine riesige Müllhalde. Und die verbraucht natürlich Unmengen Strom und Ressourcen. Und deswegen sollten wir präventiv Müll gleich vermeiden, so wie im echten Leben.
Du musst das den Einzelpersonen also beibringen wie bei der Mülltrennung?
Ja, wir müssen ja auch gucken, dass wir die Kreislaufwirtschaft beim Elektroschrott endlich ankurbeln. Und dass wir bestenfalls Müll gleich vermeiden, unsere digitalen Daten regelmäßig ausmisten und dass wir die wertvollen Rohstoffe aus Altgeräten wieder dem Kreislauf zuführen.
So wie bei den Smartphones, davon liegen Millionen bei uns in Schubladen. Hand aufs Herz, wie viele habt ihr noch zu Hause?
Schon noch so drei bis vier Stück …
Ihr seid damit schon gut im Schnitt. Wenn jeder Deutsche noch zwei Handys daheim liegen hat, dann sind das 160 Millionen. Ich habe mal ausgerechnet, der Goldwert, da sind immer ein bis zwei Gramm drin, da kommst du irgendwo auf eine halbe Milliarde Euro.
Ich habe mal gesagt, ich sammle alle alten Handys in Deutschland ein und führe die dem Recycling zu. Dann brauche ich nie mehr arbeiten zu gehen.
Das größte Hindernis, warum wir unsere alten Handys nicht abgeben, ist immer: „Da sind ja noch Daten drauf und ich weiß nicht, wie ich die sicher lösche.“ Deswegen bietet die Deutsche Umwelthilfe an, dass die Daten im Rahmen eines zertifizierten, sicheren Löschverfahrens wirklich komplett gelöscht werden.
Dann wird geschaut, ob die noch jemand verwenden kann oder ob sie dem Recyclingprozess zugeführt werden. Da kommen auch wieder die Chemiker ins Spiel und schauen, wie man die Bauteile sinnvoll trennen kann. Gold kann relativ leicht zurückgewonnen werden, aber viele der seltenen Elemente lassen sich nur schwer recyclen.
Man kann Bakterien züchten, die zum Beispiel die Seltenen Erden anreichern, um sie leichter zurückzugewinnen. Das Verfahren ist aber noch nicht konkurrenzfähig und wie an vielen Stellen ist wieder das Geld der entscheidende Faktor. Es ist viel billiger, immer neue Handys zu produzieren, als die, die wir haben, zu recyceln. Das Gold oder das Gehäuse nochmal zu verwerten, das ist easy. Aber das Problem sind die anderen Elemente, die da drinstecken, und das sind seltene Stoffe, die in größeren Mengen kaum irgendwo vorkommen.
Wie schön wäre es auch, wenn ich nur ein universelles USB-Kabel für mein Smartphone, für meinen Rasierer, für meine Zahnbürste hätte? Stattdessen habe dann immer so ein Set und schleppe zu viele Kabel mit mir rum. Der Gesetzgeber, hier die EU, könnte sagen, sie lassen nur noch 10 Steckertypen zu, denn wir brauchen nicht 100. Dann spare ich viel Kupfer und die ganzen Adapter ein.
Nochmal zurück zur Mobilität: Wie könnte da denn eine positive Entwicklung aussehen?
Man könnte Standards einführen, zum Beispiel bei der Batterietechnik. Ich würde vermuten, dass jeder Hersteller seine eigene Suppe kocht. Dann könnte man einfach irgendwann zu einer Tankstelle fahren und die genormte Batterie austauschen, anstatt ewig lang an der Ladesäule zu hängen, die vielleicht sowieso gerade besetzt ist.
Viele denken, man verliert mit E-Autos so viel Zeit, dabei gibt es sehr innovative Ladekonzepte, mit denen du in einer Viertelstunde oder sogar in fünf Minuten 80 % laden kannst. Also die Ladezyklen verkürzen, das wäre zum Beispiel ein Beitrag zur Mobilität, wo man sagt, okay, da werden manche Skeptiker sich zum ersten Mal ein E-Auto kaufen.
Erkennst du noch einen anderen Trend beim datenreduzierten Arbeiten und Leben, der die Mobilität in irgendeiner Form weiterbringen kann?
Wir sind viel zu bürokratisiert. Und da sind dann auch die falschen Anreize. Ich meine, Autobahnen werden zum Beispiel einfach immer erweitert, und dafür ist Geld da. Aber für andere Dinge, für Infrastruktur, für sicheres und stabiles Internet, da muss dann erstmal noch ein riesiger Aufwand betrieben werden, bis Kabel verlegt werden, das verstehe ich nicht.
Um nochmal auf die Autos zurückzukommen: Wenn wir durch Fahrassistenzen oder ähnliches riesige Datenmengen haben, die wir in Echtzeit verarbeiten können, dann werden wir auch immer mehr Strom brauchen.
Wenn wir viel mehr Daten in Echtzeit erheben oder Systeme miteinander kommunizieren, brauchen wir in der Tat deutlich mehr Strom, viel mehr Infrastruktur. Deswegen sollten möglichst wenige Daten möglichst effizient gespeichert werden.
Mobilität wird dadurch im Idealfall aber auch deutlich sicherer werden.
Durch Fahrassistenzsysteme vermeiden wir ja heute schon viele Unfälle. Aber weil noch viele alte Autos ohne Assistenzsysteme am Verkehr teilnehmen, wird das autonome Fahren aus meiner Sicht erst funktionieren, wenn alle autonom fahren. Solange noch Menschen am Steuer sitzen, ist Verkehr für keine KI kalkulierbar.
Andere Bereiche als der normale Straßenverkehr sind wahrscheinlich schneller zu automatisieren, oder?
Ja, du könntest zum Beispiel die Passagiere am Flughafen mit autonomen Bussen zum Flugzeug bringen und brauchst keine Busfahrer mehr.
Nochmal zurück zu dem Beispiel mit den Batterien: Wie realistisch ist hier eine schnelle Umsetzung?
Dass wir zum Beispiel die problematischen Materialien durch andere ersetzen, damit wir nicht mehr nur Lithium nutzen? Das wird funktionieren.
Im Moment gibt es sie ja schon, die müssen möglichst schnell für den Massenmarkt oder für die Massenproduktion tauglich werden und konkurrenzfähig sein. Das wären mal sinnvolle Subventionen. Sonst wird die Nachfrage vielleicht so groß werden, dass wir irgendwann feststellen, dass es gar nicht genug Lithium für so viele E-Autos gibt.
Alles auf unserem wunderbaren Planeten ist irgendwie begrenzt und wir müssen es schaffen, dass wir mit den vorhandenen Ressourcen möglichst sparsam unsere Ziele erreichen. Es geht nicht darum, auf irgendwas zu verzichten, sondern nur auf anderen Wegen zum selben Ergebnis zu kommen und dabei viel weniger Strom und Ressourcen zu verbrauchen, um weniger CO2-Emissionen zu generieren.

Das führt uns zu deinem großen Thema, dem Green Web. Du baust nachhaltige Websites, die möglichst wenig Ressourcen verbrauchen. Wie kann man sich das vorstellen?
Bei jeder Webseite ist es so, dass da immer viele überflüssige Daten übertragen werden. Außerdem gibt es viele Inhalte, die kein Mensch mehr abruft. Aber die lässt man dann online, weil es ja irgendjemanden noch interessieren könnte. Bei Software ist das auch das Thema. Die könnte viel effizienter gemacht werden, aber dann müssen Entwickler anders ausgebildet werden. Eine Software muss heute schnell und möglichst fehlerfrei funktionieren, dann kommt sie auf den Markt. Aber dass die jetzt auch nachhaltig sein soll, wenig Speicherplatz braucht und effizient ist, das haben die gar nicht auf dem Schirm. Auch weil es teuer ist, das alte Lied. Billiger ist es, leistungsfähigere Hardware zu nutzen.
Also müsste man bei der grünen Software ansetzen, wenn wir digitaler werden wollen und nachhaltige Mobilität auch im Netz vorantreiben wollen?
Die Schwierigkeit ist dabei, dass wir uns nicht erlauben können, dass durch Innovationen irgendwo Sicherheitslücken auftreten und Unfälle passieren, ob jetzt im Web oder im Straßenverkehr. Wir wollen ja eigentlich genau das Gegenteil erreichen mit KI und Fahrassistenzsystemen.
Du kannst natürlich KI sehr gut einsetzen, um zum Beispiel von A nach B zu kommen. Wir lassen uns dann Routen anzeigen mit dem Auto, mit der Bahn, mit dem Flugzeug. Aber wie wäre es, wenn man sich wirklich die energiesparendste oder auch vielleicht die schnellste Route anzeigen lassen könnte, und das verkehrsmittelübergreifend?
Es gäbe also die Möglichkeit, so etwas zu programmieren, um die schnellste Verbindung, die bequemste Verbindung, die mit möglichst wenig Umsteigen, die günstigste oder die umweltbewussteste rauszufinden?
Genau, oder man könnte sich die ganzen Faktoren anzeigen lassen. Dann können die Leute selbst entscheiden, ob sie zwar eine halbe Stunde länger brauchen, aber dabei eine bessere Klimabilanz hätten. Google macht das ja, aber das ist ja dann auch nicht verkehrsmittelübergreifend.
Das bringt uns zum Thema Machine Learning. Google lässt bei der Routenplanung die Wahrscheinlichkeit für einen Stau an einem bestimmten Tag einfließen. Braucht es da noch in jedem Auto einen eigenen kleinen Computer, der rechnet und Daten überträgt oder sollte man das zentralisieren und die Autos in ein übergreifendes Netz einbinden, wo die Position durchgegeben wird und alles weitere gebündelt passiert?
Das würde nicht nur das autonome Fahren erleichtern, sondern den Verkehr insgesamt entzerren und nachhaltiger machen, weil bestehende Ressourcen – also Straßen – besser genutzt werden.
Hast du einen Tipp für Leute, die sich inspirieren lassen wollen, wo man sich zu deinem Thema „Grünes Web“ informieren kann? Wo schnupperst du rum, was hörst du für Podcasts?
Ich würde mir ein Set von vertrauenswürdigen Leuten suchen, und da bin ich dann eher altmodisch und abonniere dann deren Newsletter. Oder was auch eine sehr gute Sache ist: Google Alerts einzurichten. Da kannst du ein paar Stichworte hinterlegen und bekommst tägliche neue Veröffentlichungen zu dem Thema.
Was ich auf jeden Fall kaum noch nutze ist Social Media. Ich habe gerade eine eigene Community für Leute gegründet, die fachlich diskutieren wollen, ohne von einem Algorithmus dahin gesteuert zu werden, wo es das meiste Engagement gibt.
Die großen Plattformen wollen uns ja nur möglichst lange in ihrem Angebot halten. Denen ist völlig egal, ob da irgendwas Faktisches passiert. Deswegen sind Soziale Medien auch kein Raum, wo man sich informieren sollte.
Da sind wir gespannt. Auf jeden Fall ein zeitgemäßer Move. Hast du zum Schluss noch ein schönes Zitat für uns, was das Ganze abrundet?
Na klar. Wir sind hier in Ober-Ramstadt, dem Geburtsort von Georg Christoph Lichtenberg, der ja diese berühmten Sinnsprüche – Aphorismen – erfunden hat. Der hat mal gesagt „Wer nichts als Chemie versteht, versteht auch die nicht recht.“
Sehr schön, danke dir für deine Zeit!
Klare Empfehlung für Leser*innen, die auf den Geschmack gekommen sind: Torsten Bayers Podcast „Web, But Green!“ mit insgesamt 82 Folgen und vielen spannenden Gedanken, wie man nachhaltiger digitalisiert und dem Green Web näher kommt, aber auch zu Datenschutzthemen oder zu Digitalkapitalismus.