Wie kann man die Welt retten, wenn die Welt gar nicht mehr gerettet werden will?
Das ist gar nicht so absurd formuliert, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Abwehr- und Verweigerungshaltung in weiten Teilen der Bevölkerung ist eher der Normalfall als die Ausnahme. Studien zeigen, dass die Zustimmung für Klimaschutz in Deutschland gesunken ist. Um dagegen etwas tun zu können, muss man erst einmal verstehen, was passiert ist.
Die Ursachen
Es wäre natürlich einfach, Social Media als Sündenbock hinzustellen. Da ist bestimmt auch etwas Wahres dran. Aber der Erfolg von Social Media Plattformen beruht ja auch nur darauf, etwas anzubieten und auszunutzen, wofür der Bedarf in unserem Unterbewusst bereits vorhanden war. Es musste nur jemand erkennen und eine Technologie dafür bereitstellen.
Genau das ist den Kämpfern gegen den Klimawandel bisher nicht gelungen. Die Evolution hat uns kein Werkzeug mitgegeben, um uns automatisch uneigennützig für die Erhaltung der Art einzusetzen. Diese Entscheidung muss bewusst getroffen werden, der überwiegende Teil unseres Handelns wird aber vom Unterbewusstsein bestimmt. Und dieses Unterbewusstsein kann man leider besser mit Parolen und dumpfen, emotionalen Statements ansprechen als mit rationalen Argumenten.
Diese Erkenntnis nutzt die Konsumgüterindustrie schon lange für den Verkauf ihrer Produkte: Die Befriedigung der Bedürfnisse und des Belohnungssystems ist der Kern aller Werbebotschaften. Vernünftige Argumente werden von der Macht der Emotionen über unser Verhalten einfach verdrängt.
Die Lösung
Die naheliegende Idee wäre es, einfach auch für den Klimaschutz Werbung zu machen. Aber wie? Laufende Kampagnen und mahnende Wissenschaftler haben bis jetzt wenig Erfolg gehabt.
Die optimistische Annahme, dass Menschen schon verstehen werden, wenn man ihnen nur genug Fakten liefert, hat sich nicht bestätigt. Ganz im Gegenteil: es wird weiterhin überall fleißig auf das dritte Auto, die neuen Sneaker oder den Urlaub gespart.
Was macht Sneaker-Werbung anders als Klimawerbung?
Genau: Emotionen spielen die wichtigste Rolle. Produktnutzen, Qualität, technische Daten? Fehlanzeige.
Emotionale Kommunikation
Süße Babys und nette junge Leute sind nicht das, was Werber unter emotional verstehen, „Was habe ich davon und wie geht es mir dabei?“ ist der richtige Einstieg, um emotionale Kampagnen zu entwickeln.
„Rationale und emotionale Benefits für die Zielgruppe“ wird das in einschlägigen Marketing-Meetings genannt. Ab hier verlassen wir den rutschigen Boden theoretisch-fundierter Herleitungen für Kommunikationsstrategien und werden pragmatisch (Wer noch nicht genug hat, kann gerne anrufen!).
Drei ganz einfache Fragen sind es, die man beantworten muss, um wirklich etwas zu bewirken:
1) Wer ist deine Zielgruppe
Rede nicht mit deiner Bubble, hole dir nicht Bestätigung bei deinen Kumpels, die alle derselben Meinung sind! Das bringt höchstens Applaus in Form von Linkedin-Likes. Sollten die sogenannten „Vanity-Stats“ dich glücklich machen: go for it. Wenn du aber etwas bewirken willst, ist das Energieverschwendung. Wo die Fronten verhärtet sind, bestärke Leute nicht noch in ihrem Glauben, sondern versuche, sanft zu deeskalieren. Und das hat den größten Effekt bei den „anderen“. Einen grünen Veganer zum Radfahren überreden? Geschenkt. Einen Sportwagenfahrer mittleren Alters? Ein echter Gewinn!
2) Finde heraus, was deine Zielgruppe wirklich will
Die Menschen wollen z.B. mobil sein, bequemer reisen, besser arbeiten, einfacher kommunizieren, moderner wohnen, gesünder leben und gesünder alt werden – sie wollen besser leben!
Finde heraus, wie dein Produkt oder deine Botschaft den Leuten etwas Besseres als den Status Quo bietet und mach das zu deinem Thema – schieb den Klimaschutz und die Nachhaltigkeit als Zugabe hinterher. Nicht als einziges Argument.
3) Verbinde dein Thema mit einem Gewinn für die Zielgruppe, nicht mit einem Verlust oder Verbot
Hier hat weder die Politik noch die Industrie gute Arbeit geleistet. Fast jeder Bürger hat sich aus der laut geführten Diskussion der letzten 2 Jahre behalten, dass wir jetzt „den Gürtel enger schnallen müssen“ und dass E-Autos mit nur 450 km Reichweite Autofahren fast unmöglich machen.
Faktisch ist letzteres sogar richtig, aber die Schlußfolgerung ist es leider nicht. Und wurde so ungeschickt kommuniziert, dass sich das angebliche „Reichweitenproblem“ direkt als größte Sorge manifestieren konnte. Selbst bei Leuten, die mit ihrem 15 Jahre alten Benziner auch nicht weiterkommen. Wie gesagt: Emotion hat mit Fakten nichts zu tun. Der Autofahrer hat das unbestimmte Gefühl, mit dem E-Auto Unabhängigkeit und Sicherheit zu verlieren, weil man auf eine Infrastruktur angewiesen ist, mit der man keine Erfahrung hat und die von allen schlecht bewertet wird. Ideale Voraussetzungen für die Etablierung negativer Assoziationen.
Generell muss man bei allen Aussagen aufpassen, die keinen direkten Bezug zur Zielgruppe haben. In dieser Woche wurden in Deutschland sieben Windräder installiert? Das kann man auch schlecht reden, weil es „die Landschaft verschandelt und Vögel gefährdet“. Haben wir schonmal gehört, richtig?
Wenn man diese Aussage dagegen mit Benefits für die Zielgruppe verbindet, hat es tatsächlich den gewünschten positiven Effekt: Die Energieversorgung weiter stabilisiert, wir sind jetzt noch ein Stück unabhängiger von importiertem Strom und das bietet auch ein Stück mehr langfristige Sicherheit beim Strompreis.
Fazit
Immer wenn man es schafft, persönliche Benefits oder Lösungen für Probleme zu präsentieren, werden Menschen zuhören und mitmachen.
Für reine Fakten fehlt oft die Vorstellungskraft und damit verlieren sie ihre Faszination. Das bisschen Mühe, bei jeder Botschaft die drei Fragen zu beantworten und damit zu kommunizieren zahlt sich schnell aus.
Und bitte keine Panikmache. Was in der Werbung als „FOMO“ (Fear of missing out“) gut funktioniert, führt bei der Klimadiskussion zur Schreckstarre. Da fehlen schlicht die Alternativen. Gegen FOMO kann ich etwas tun (sofort kaufen. Nur heute), im Klimawandel führt es zur Leugnung der Verantwortlichkeit und Ohnmachtsgefühlen (Ich allein kann da nichts tun! Und was ist mit China?).
Also bitte „Happy Thoughts“ – auch wenn man manchmal schreien möchte …