Nanu, wir wollten doch an dieser Stelle immer nur gute Nachrichten bringen. Was soll denn daran gut sein?
Danke, dass du fragst. Wir mussten auch ein paar Augenblicke tief Luft holen, aber mit ein bisschen Abstand, einem Kaffee und einem Original Frankfurter Cube-Croissant ging’s dann bald wieder …
Das Verbrenner-Aus
Kritische Entscheidung, eindeutig zugunsten der Umwelt. Am Anfang wenig umstritten, bis das Thema von fleißigen rechten Hetzern entdeckt wurde und eifrig herumgereicht wurde. Und dabei auch immer ein bisschen Wahrheit und Substanz verloren ging.
Ganz klar: Entscheidungen zugunsten der Umwelt sollten nicht ganze Industrien ausrotten. Das war aber auch nie der Plan und stand auch nicht zu befürchten. Ganz im Gegenteil. Tatsächlich zeichnete sich nämlich ein langsamer Niedergang des Verbrenners ab: Zulassungszahlen in Deutschland und im restlichen Europa gingen – und gehen immer noch – seit Jahren beständig zurück.
Dieses Phänomen besingen die volksnahen Ökonomen Didi Hallervorden und Helga Feddersen schon in ihrem 1978er-Gassenhauer „Du, die Wanne ist voll!“
Soll heißen: Es wird immer schwerer, dem Familienvater in einem Mietshaus in Wanne-Eickel einen Drittwagen für das Töchterchen zu verkaufen, wenn er schon nicht weiß, wo er die anderen beiden Autos parken soll.
An dieser Stelle setzte ein solider, rationaler Gedankengang ein: Der Markt nähert sich der Sättigung; wir konzentrieren unsere Hoffnungen auf aufstrebende Volkswirtschaften. Gesagt, getan. Und das über lange Jahre ziemlich erfolgreich. Bis der so sicher geglaubte chinesische Markt komplett einbrach. Und das mit atemberaubender Geschwindigkeit fast über Nacht.
Wobei die Nacht hier von der letzten Shanghai Auto Show vor Corona bis zur ersten nach Corona reichte. Da gab es ein böses Erwachen …
Aus der Lizenz zum Gelddrucken war ein Milliardengrab geworden. Deutsche Autos wurden verschmäht. Verbrenner sowieso: Da gab es plötzlich knallharte Regularien und ein verändertes Kaufverhalten. Weg vom Luxus-PS-Protz zum rollenden Smartphone. Und das bevorzugt aus einheimischer – und staatlich unterstützter – Produktion. Damit wurden auch die eher konservativen und überteuerten E-Autos aus deutscher Produktion bereits bei ihrer Vorstellung zu Ladenhütern.
Die Verkaufskurve knickte post-Corona nicht etwa im homöopathischen Bereich ein paar Prozent ein. Nein, da war quasi sofort Stillstand. Und das so hart wie noch nie.
Zwar nicht bei allen Marken gleich schlimm, aber alle waren betroffen.
Der Weg aus der Krise schien klar: mit voller Kraft in die E-Mobilität investieren, als das einzig wachsende Segment. Die wichtigsten Märkte waren ganz klar China und die USA – wir erinnern uns: Die USA waren damals noch eine funktionierende Demokratie mit strengen Umweltregularien und einer großartigen, grünen Zukunft. Dazu kamen vernünftige Impulse aus dem sonnigen Afrika und ein großer, zunehmend umweltbewusster Markt in Europa. Hier half man ihr schon länger mit Gesetzen auf die Beine. Zum Beispiel mit dem Verbrenner-Aus. So konnte sich die Industrie auf einen Antrieb konzentrieren, darin gut werden und musste nicht zweigleisig fahren. So jedenfalls der eigentlich schlaue Grundgedanke.
Die Spaßbremse
Die Euphorie wurde schon früh – noch vor dem Crash des chinesischen Marktes – von der Realität eingebremst. Obwohl das Konzept klar überlegen war, stockte dennoch der Verkauf. Blick zurück im Zorn: Ach ja, der verdammte gesättigte Markt.
Optimisten rechneten mit einem rasanten Umstieg, Konsumenten aber warteten ab. Early Adopters gab es genug, um Tesla zum Marktführer und Elon reich zu machen, aber die breite Masse saß auf ihren Portemonnaies. Angebote waren zu teuer, die in Gebrauch befindlichen Automobile waren ja nicht plötzlich schlecht geworden und hielten noch jahrelang. Man konnte also abwarten und beobachten.
Und wer genug Zeit hatte und sich stundenlang durch die sozialen Medien doomscrollte, fand reichlich Futter gegen die neue Technologie. Da wurden Legenden gesponnen, dreist gelogen und mit allem Stimmung gemacht, was gerade irgendwie noch glaubhaft war. Die E-Mobilität war zum Lieblingsargument der rechten Hetzer und damit zum politischen Spielball geworden.
Obwohl meines Wissens kein E-Auto jemals aus Mangel an Ladestationen liegen geblieben ist, wurde Reichweitenangst zum Thema jeder Talkrunde. Und überhaupt waren die scheinbar gar nicht umweltfreundlich: Vom Zuhören konnte man meinen, die Dinger würden von Dämonen in Kobaltminen zusammengeschweißt.
Die Diskussion wurde zunehmend irrational, die Gräben wurden immer tiefer und irgendwann hatte man den Eindruck, da war nichts mehr zu retten.

Die Lösung
Das letzte überdeutliche Signal, der Zapfenstreich der Intelligenz, der von der Politik verlorene Kampf gegen die Naturwissenschaften, das Berliner Einhorn mit Glitzer war: der „hocheffiziente“ Verbrenner!
Dieses sinnentleerte Wortungetüm brachte das Fass zum Überlaufen. Jetzt war klar, dass etwas passieren musste, um auf den Pfad der Vernunft zurückzufinden.
Während in jeder standesbewussten WG mit Physikstudent*innen sofort „Ich bin ein hocheffizienter Verbrenner“-T-Shirts für die nächsten Partys produziert wurden, stoppte Brüssel das Verbot und die Zukunft des Automobils wurde schlagartig entpolitisiert.
Und das ist tatsächlich eine gute Nachricht.
Jetzt gibt es wieder Grauwerte, statt nur schwarz und weiß. Man kann wieder miteinander reden und Kompromisse finden.
Die Diskussion um die Mobilität der Zukunft ist wieder demokratisch. Gott sei Dank.
Wie geht es weiter?
Ideal für das Klima ist das nicht, so viel steht fest. Es ist aber auch keine Katastrophe.
Wir erinnern uns zurück an „Du, die Wanne ist voll!“: Ein Wechsel des Antriebskonzeptes schafft nicht mehr Platz für neue Autos. Auch, weil der Umstieg vom Konzept her schon zaghaft und halbmutig war. Antriebswende ist eben noch keine Verkehrswende. Mehr dazu haben wir hier schon geschrieben.
Und solange sich das Verhalten nicht ändert – auch E-Autos stehen im Schnitt 22 Stunden pro Tag sinnlos herum – sind die Aussichten für die Industrie auf Wachstum begrenzt. Aber: Auch mit einem schleppenden Umstieg wird es langsam aber sicher immer ein Stück sauberer auf den Straßen. Zeit, sich um anderes zu kümmern: Reifenabrieb ist auch beim E-Auto ein Thema, Landwirtschaft und Bauindustrie bieten noch Ansatzpunkte für Hebel. Dem aktiven Klimaschützen fallen da noch mehr Dinge ein. Langweilig wird es nicht.
Und die Situation für Konsumenten und Industrie? Schwierig. Aber Veränderungen werden kommen.
Wenn zum Beispiel immer weniger Verbrenner unterwegs sind, wird der Benzinverbrauch zurückgehen und damit werden langfristig die Preise steigen. Wie schnell und wie hoch? Das hängt von der politischen Situation in den erdölproduzierenden Ländern, der Gier der Konzerne und der Geschwindigkeit der Umstellung ab.
Dafür wird aber gleichzeitig der Preis für Strom sinken und die Verfügbarkeit steigen. Um das zu glauben, muss man nicht besonders optimistisch sein. Zwar wird der Bedarf steigen, aber der Erfolg der Energiewende ist jetzt schon spürbar: weniger Importe, bessere Energiespeicher, mehr Sicherheit. Und technologisch ist kein Bereich so innovativ wie dieser: Grüne Technologien wachsen überproportional stark im Vergleich zur restlichen Wirtschaft. Da kommt also noch was …
Gibt es ein eindeutiges Fazit?
Eher nicht. Wie es für die Unternehmen weitergeht, ob das Aus vom Verbrenner-Aus wirklich die Rettung ist oder ob dadurch Innovationen noch weiter verschleppt werden und dann irgendwann ein ganz dickes Ende kommt – wer weiß …
Bestraft werden aber ziemlich sicher Firmen, die viel in E-Mobilität investiert haben. Man muss kein Wirtschaftsweise sein, um zu verstehen, dass wenn dann jetzt doch noch ein Verbrenner gekauft wird, ein E-Auto dafür stehenbleibt. Die schieben eine gewaltige Bugwelle an Entwicklungskosten vor sich her, die sich eigentlich durch Verkäufe abbauen sollte, um die nächsten Innovationsschübe zu stemmen. Wenn die ausbleiben, kann das auch die ganz Großen umbringen.
Der Weg zum E-Auto lässt sich also auch ohne Verbrenner-Verbot kaum verhindern, findet aber ohne Zwang nur unter sanftem, wirtschaftlichem Druck statt. Individuell unterschiedlich schnell, aber die Richtung ist für alle dieselbe. Let’s go …




