Zubehör der Woche: der Winterreifen

von | Okt. 2, 2025

Alte Winterreifen, die für Recycling oder Wiederverwertung gesammelt wurden

Es ist mal wieder so weit: Gemäß der alten Volksweisheit „Winterreifen von O bis O (Oktober bis Ostern)“ oder dem eher aus der Werbung bekannten No-Fact „7 Grad – Winterrad“ wird es mal wieder Zeit, die Sommerschlappen gegen Winterreifen zu tauschen.

Schön, wenn die Dinger beim Händler eingelagert wurden und sich das Autohaus sogar von selbst meldet. Wenn der auf Umsatz bedachte Kaufmann und die Sicherheitsinteressen des Kunden zusammenkommen, ist der ganze Vorgang easy-going. Und man kann sich auch darauf verlassen, dass die Reifen richtig gelagert wurden.

Für alle anderen beginnt jetzt eine Odyssee. Im besten Fall in den eigenen Keller, wo man in der Regel nur zwei Tonnen „Das stell ich mal kurz hier ab und bring’s morgen weg“ beiseiteräumen muss. Blöd, aber machbar.

Schlimmer sind die Einlagerplätze bei den Schwiegis oder den eigenen Eltern. „Die waren ganz bestimmt hinter den Paletten“, „Ich hab noch Braten, wollt ihr mitessen?“ oder der Klassiker: „Na, dass du dich auch mal wieder blicken lässt. Du brauchst doch bestimmt was.“

Spätestens wenn ab Minute fünf des Familientreffens die Themen drängender werden (Bachelor?), fragt man sich, ob es das wirklich wert ist – und ob man sich nicht einfach Ganzjahresreifen zulegen sollte.

Hier setzt unser kleines Reifen-Wiki an.

Was Sie noch nie über Reifen wissen wollten – und auch niemals gefragt hätten!

Reifen sind das, was alle Autos auf der Straße hält. Ganz egal ob E- oder Verbrenner. Reifen haften idealerweise auf jedem Untergrund – mindestens aber auf trockenem, nassem, warmem und kaltem Asphalt. Ganz schön tricky.

Wenn man sich überlegt, dass Gummi bei Wärme klebriger wird, ist die Hürde zum Verständnis schon genommen: Deshalb braucht es Reifen, die für bestimmte Temperaturzonen optimiert sind.

Winterreifen haben also nicht zwangsläufig etwas mit Schnee zu tun: Schon wenn’s kälter wird, haften Sommerreifen nicht mehr so gut – und man kommt schneller ins Rutschen.

Mit Winterreifen könnte man daher theoretisch das ganze Jahr fahren – die reiben sich im warmen Sommer nur schneller ab. Umgekehrt kommt man mit Sommerreifen nicht so gut durch den Winter. Auch wenn kein Schnee liegt.

Und dann haben die Dinger ja auch noch Rillen zur Wasserverdrängung – das Problem gibt’s also auch noch. Hier kann es passieren, dass ein Sommerreifen mit warmem Sommerregen besser klarkommt als ein Winterreifen. Obwohl der auf trockener Straße gut haftet, ist er nicht auf optimale Wasserverdrängung ausgelegt – im Sommerregen also schlechter als ein Sommerreifen. Kann aber im Schnee – wo gar nichts mehr normal haftet – mehr Grip haben.

Einer für alles, alles mit einem?

Wenn es die Chemiker in den Hexenküchen der Reifenhersteller geschafft hätten, eine Gummimischung herzustellen, die in allen Temperaturbereichen gleich gut funktioniert, gäbe es ja gar keinen Grund für spezialisierte Sommer- oder Winterreifen.

Die gibt’s aber immer noch – was ein ziemlich sicheres Indiz dafür ist, dass der Ganzjahresreifen ein Kompromiss ist.

Winterreifen werden in einer Werkstatt montiert

Und das Fazit?

Das könnt ihr euch jetzt hoffentlich selbst zusammenreimen: Je performanter euer fahrbarer Untersatz ist, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass dafür Ganzjahresreifen empfohlen werden.

Kommt da noch was?

Wurde jetzt oft genug erwähnt: Reifen haften, fahren sich ab – verlieren also Gummi. Dafür müssen sie nicht mal rutschen und schwarze Streifen auf dem Asphalt hinterlassen. Rollwiderstand überwinden kostet auch schon Kraft und Substanz.

Wie schwerwiegend die Belastungen durch Autoreifen sind, ist erschreckend:

  • In Deutschland sind rund 100.000 Tonnen Reifenabrieb pro Jahr für etwa ein Drittel des gesamten Mikroplastikeintrags verantwortlich.
  • In Europa gelangen jährlich ca. 500.000 Tonnen Feinstaubpartikel durch Reifenabrieb in die Umwelt.
  • Die Abriebpartikel machen 50–90 % des Mikroplastiks aus, das von städtischen Straßen in Regenzeiten in Gewässer gelangt.
  • Die Partikel sind oft so klein, dass sie in die Lunge und über Nahrungsketten weiterverbreitet werden können – und toxische Wirkungen auf Mensch und Tier entfalten.
    Ein Reifen besteht – neben verschiedenen Gummimischungen – aus mehr als 2.400 chemischen Substanzen. Zum Abrieb gehören daher auch Additive wie Weichmacher, Industrieruß (Carbon Black), Schwermetalle (z. B. Zink, Mangan, seltener Blei und Cadmium) sowie Vulkanisationshilfen.

Hier kommt die ersehnte gute Nachricht

Du kannst beim Abrieb mitbestimmen!

Falls demnächst eine Neuanschaffung ansteht: Es lohnt sich, darüber nachzudenken, dass ein leichteres Auto erheblich Feinstaub und Mikroplastik einspart.

Wer sich ausnahmsweise nicht mit dem Kauf eines neuen Autos beschäftigt (man hört hier Klagen aus der Industrie, dass die Begeisterung nachgelassen hat – bist du das etwa?), kann trotzdem sofort etwas tun, um die Umwelt zu entlasten: Fahrstil, Geschwindigkeit, Reifenqualität und Luftdruck haben großen, teils steuerbaren Einfluss auf das Ausmaß des Abriebs.

Wer immer noch nicht überzeugt ist, dass Reifen unbedingt Teil der Diskussion um die Zukunft der Mobilität sein sollten: Bereits ab etwa 35 km/h überwiegt bei modernen Pkw das Rollgeräusch gegenüber dem Motor – bei Lkw liegt dieser Punkt bei etwa 60 km/h.
Der seidenweiche, aber männlich-kräftige Sound eines Sportwagens deutscher Produktion erregt also bestenfalls direkt betroffene Mitmenschen, auf dem ALDI-Parkplatz.

Für alle Selberwechsler, Sicherheitsbewusste oder Menschen, die noch eine politisch unverfängliche, aber hochwirksame Lebensphilosophie brauchen: Nach 50 Kilometern Schrauben überprüfen und gegebenenfalls nachziehen!


Text: Frank
Titelfoto: Imthaz Ahamed auf Unsplash
Reifenwechsel: Enis Yavuz auf Unsplash

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