Das Internet stinkt.
Nein, wirklich.
Ein Gewässer kippt auch, wenn sich zu viele Nährstoffe breitmachen und das Algenwachstum ungebremst voranschreitet. Dabei wird den anderen Organismen im Wasser der Sauerstoff entzogen und das Ökosystem kollabiert. Anaerobe Bakterien, die ohne Sauerstoff auskommen, vermehren sich und produzieren dabei übel riechende Gase.
Was das mit dem Internet zu tun hat? Aktuell besteht mehr als die Hälfte des gesamten globalen Internetverkehrs aus Bots. Das sind unsere Algen. Stell dir vor: Jeder zweite Kommentar, den du auf Social Media liest, ist nicht von einem Menschen verfasst.
Wofür das Ganze? Das ist eigentlich ganz einfach: Mehr Interaktionen mit Beiträgen führen zu längerer Bildschirmzeit, was wiederum zu höheren Einnahmen bei Instagram oder TikTok führt. Diese gewinnorientierten Algorithmen sind die Nährstoffe, durch die sich die Algen im Gewässer ungebremst vermehren. Denn was ist besser als unendlich kostenloser Content, der Geld einbringt?
Nebenbei kann man damit auch noch die öffentliche Meinung beeinflussen: „Oh, anscheinend finden alle Menschen diesen Beitrag kacke.“ – Ja, okay. Oder es sind eben Bots, die gezielt Beiträge zu bestimmten Themen mit Kommentaren fluten, um die Realität zu verzerren.
Ich habe mich auch schon oft dabei ertappt, wie ich auf Instagram oder YouTube in die Kommentare eintauche (noch während das Video läuft) nur um zu schauen, wie die allgemeine Meinung zum Thema ist. Dabei haben Meta und Co. eine nette Entdeckung gemacht: Wenn Menschen etwas kontrovers finden, erzeugt das eine heftigere emotionale Reaktion als niedliche Katzenvideos und fesselt die User länger an den Bildschirm.
Problem dabei: Wir haben jetzt also KIs, die Unmengen an Content produzieren, für Social-Media-Algorithmen, die mit allen Mitteln darauf aus sind, Werbeeinnahmen zu generieren.
Diese KIs existieren nur, weil sie auf Datenbanken trainiert wurden und zwar mit Kunst von Menschen, ohne dass die um Erlaubnis gefragt wurden. Echte Menschen, ihre Kunst und ihre Meinungen, gehen dabei langsam verloren.
Der Sauerstoff in unserem Gewässer ist die Interaktion. Und je weniger davon zwischen echten Menschen stattfindet, desto weniger lohnt es sich überhaupt, Beiträge zu produzieren – auf welchen Plattformen auch immer. Irgendwann ist alles Algengrütze.
Das Internet ist am Kippen. Vielleicht ist es auch schon gekippt. Jedenfalls stinkt es mittlerweile.
So.
Für unser Good News Magazin und die Rubrik „Ab ins Wochenende“ war das jetzt natürlich ein etwas ernüchternder Einstieg. Keine Sorge. Der old man yells at cloud-Teil ist hiermit vorüber, versprochen.
Alles, was ich möchte, ist, dass ihr euch ein paar Fragen stellt:
- Wann habe ich zuletzt online eine richtig gute Zeit gehabt?
- Hat es mir gerade Spaß gemacht, in zwei Minuten durch 60 Reels zu fetzen?
- Könnte ich vielleicht die Zeit mit echten Freunden verbringen, statt durchs Fernglas zuzuschauen, wie fremde Leute eine richtig gute Zeit haben, während ich mich wie ein Shrimp auf dem Sofa herumlümmele und meine Nackenprobleme verschlimmere?
- Und was ist eigentlich mit dem Hobby oder Projekt, mit dem ich schon vor Monaten anfangen wollte?
Falls sich jetzt jemand angegriffen fühlt, dann ist das wunderbar. Zeit, den Stecker zu ziehen und mal rauszugehen, um ein bisschen Rasen anzufassen.
Und gibt es dafür einen besseren Zeitpunkt als ein – checkt kurz den Wetterbericht – komplett verregnetes 11°C-Oktoberwochenende? Ich glaube kaum.
Die gute Nachricht ist: Ihr müsst nicht mal raus ins Schmuddelwetter. Entscheidend ist, dass ihr coole Dinge erlebt, am besten mit coolen Menschen. Ohne Handy. Ohne Internet.
Ladet euch eure Liebsten ein. Sollen die mal zusehen, wie sie durch das Schmuddelwetter zu euch kommen. Im Gegenzug könnt ihr ja was Geiles für sie kochen und ein paar Spaßgetränke bereitstellen.
Oder ihr packt euch alle wetterfest ein und besucht irgendein Kürbisfest oder Maislabyrinth oder was man eben sonst so im Herbst macht. Der Veranstaltungskalender eurer Stadt weiß da bestimmt mehr als ich. Der ist wahrscheinlich auch online – im stinkenden Internet –, aber hier kommt der Knaller: Das erlaube ich euch.
Solange ihr das Internet benutzt, statt von ihm benutzt zu werden, ist doch alles fein.
Das Ziel ist nicht, moderne Technologie abzulehnen, sondern abzuwägen, welche Online-Aktivitäten euer Offline-Leben bereichern.
Zeit ist eine wichtige Währung – vielleicht die wichtigste, die wir haben. Statt eure Bildschirmzeit irgendwelchen gierigen Tech-Bro-CEOs in den Rachen zu werfen, könnt ihr eure Währung auch für bessere Dinge ausgeben.
Wenn ihr, wie ich, schon eine gewisse Smartphone-Sucht entwickelt habt, ist das gar nicht so einfach. Euer Gehirn wird sich immer mega gute Ausreden ausdenken, damit ihr nicht ein Buch in die Hand nehmt, sondern doch wieder eine App öffnet.
Nach langem Hin und Her habe ich schließlich alle Social-Media-Apps von meinem Handy verbannt. Zusammen mit allen anderen Apps, die irgendeinen Endlos-Feed bieten, wie etwa YouTube. Das klingt vielleicht extrem, hat mir aber geholfen. Mein Handy macht mir einfach keinen Spaß mehr, und der Tag hat plötzlich viel mehr Stunden als ich dachte.
„It really is that damn phone“, kann ich da nur sagen.
Versucht es mal, nur für ein Wochenende. Habt mal wieder Langeweile und schaut, was daraus entsteht, wenn man nicht jede freie Sekunde mit einem Blick aufs Handy füllt.
Wenn ihr das überlebt habt, gibt’s nächste Woche eine umfangreiche Liste von Offline-Aktivitäten im Newsletter – um die freigeräumte Bildschirmzeit wieder sinnvoll aufzufüllen.




