„Mit sich selbst im Reinen sein“ – dieses Sprichwort kennen wir alle. Doch wie oft betreiben wir Selbstfürsorge? Wie oft sind wir wirklich mit unserem Körper im Einklang und können klar sagen, dass wir uns – mit uns selbst – wohlfühlen? Zu diesem Thema haben wir mit der Resilienz-Expertin Isabella gesprochen.
Welchen abwechslungsreichen und vielschichtigen Job sie hat, was ihre Motivation ist und wie sie Menschen begleitet, erfahrt ihr hier im Artikel: Lest selbst.
Welche Erfahrungen haben dich dahin geführt, wo du jetzt bist?
Mit Mitte 30 bin ich in einen Burnout geraten. Ich hatte einen Job, den ich liebte, in dem ich erfolgreich war. Doch irgendwann war ich einfach nur erschöpft. Die Diagnose „Burnout“ war für mich ein Weckruf. Im Rückblick sehe ich es als Chance, mich mit wichtigen Themen auseinanderzusetzen.
Eine zentrale Frage war: Wie bin ich da hineingeraten? Ich habe oft über meine Grenzen hinaus gearbeitet, wollte immer mehr erreichen – höher, schneller, weiter. Es war wichtig für mich zu verstehen, warum ich so gehandelt habe. Was waren meine Antreiber und Glaubenssätze, die mich letztendlich in die Erschöpfung führten?
Ein weiteres wichtiges Learning war, auf meinen Körper zu hören. Ein Burnout passiert nicht über Nacht. Mein Körper hat mir lange Signale geschickt, aber ich habe sie ignoriert oder versucht, sie wegzudrücken. Erst im Nachhinein habe ich erkannt, wie wichtig es ist, die Sprache des Körpers zu verstehen und auf ihn zu hören.
Heute weiß ich, wie entscheidend es ist, sich selbst, seine Grenzen und den eigenen Körper ernst zu nehmen.

Das heißt, du warst nicht verbunden mit deinem Körper? Geist und Körper waren nicht eins?
Ja genau so, ich bin dann einfach über die Warnsignale und Botschaften gegangen und irgendwann sagt der Körper dann: „Nein danke! – dann zwinge ich dich zur Ruhe.“
Und das war ein wichtiger Aspekt des Ganzen.
Für mich war es wichtig zu erkennen: Ich bin selbst verantwortlich für mein Wohlbefinden. Natürlich ist das individuell, aber in meinem Fall wurde mir klar, dass ich die Verantwortung für mich übernehmen muss. Es ist leicht, die Schuld bei anderen zu suchen – bei der Gesellschaft, bei der Arbeit. Aber letztlich bin ich dafür zuständig, gut für mich zu sorgen, auf mich zu achten und mir die Aufmerksamkeit zu geben, die ich brauche.
Man merkt, dass du bei dir bist.
Danke, das stimmt. Ich glaube, es ist wichtig zu verstehen, dass das Leben voller Herausforderungen ist, es werden große und kleine Herausforderungen anstehen, auch außerhalb des Alltags, und dann geht es nicht darum, dass man eben nicht immer entspannt und gelassen ist, vielmehr, für sich Tools zu haben, Raum zu haben, auf diese neuen Situationen eingehen zu können. Vieles im Leben ist nicht unbedingt kontrollierbar, wir können uns aber helfen, uns auf diese herausfordernden Situationen vorzubereiten, um ihnen dann mit innerer Stärke zu begegnen.
Warum hat es dich genau in die Richtung gezogen, warum hast du das für dich zum Job gemacht?
Ich bin ja dann während des Burnouts auf Weltreise gegangen und habe so viele neue Eindrücke und Aspekte für mich mitgenommen. Ich habe eine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht und eine Meditationslehrer-Ausbildung genossen und hab so viel gelernt über Dinge in meinem Alltag, die mir gar nicht so bewusst waren. Dass es zum Beispiel viel mehr Ebenen gibt als den Kopf – und bei mir ging ja alles nur über den Kopf. Später habe ich noch eine weitere Ausbildung gemacht, die mir noch einmal mehr klar gemacht hat, dass das Bewusstsein für Selbstfürsorge, für den Körper und für die Gesundheit das A und O ist.
Das ist die Basis, das ist unser Fundament, ohne die Gesundheit können wir eigentlich gar nichts leisten und ein gutes Leben führen. Mir war es dann wichtig, gerade dieses ganze Wissen, diese Erfahrung an andere Frauen weiterzugeben. Gerade weil es sehr leicht sein kann, den Alltag zu verändern – wenn man weiß, wie – und im Alltag auch Selbstfürsorge zu betreiben. Um dann eben nicht in dieser Erschöpfung zu landen, um eben nicht im Burnout oder anderen Krankheiten zu landen. Mir war das ein wichtiger Aspekt, auch zu sagen „Hey, ich bin selbst durch diesen Burnout gegangen, ich hab jetzt so viel gelernt, ich möchte das unbedingt weitergeben und anderen Frauen helfen, damit sie da gar nicht erst durchmüssen.
Glaubst du, viele sind da schon?
Generell in der Erschöpfung? Ich würde nicht so mutig sein und sagen, dass viele im Burnout sind, aber ich glaube, dass viele Menschen sehr erschöpft sind.
Was meinst du sind die Gründe dafür?
Ich glaube auf Frauen bezogen, ein Teil ist, welch hohe Ansprüche an die Frauen gestellt werden, von der Gesellschaft und unseren Strukturen. Ich will gar nicht zu tief ins Detail gehen, aber allein die Care-Arbeit, Karriere bzw. Job, fehlende oder nicht ausreichende Betreuung der Kinder. Zudem leben auch immer mehr Menschen allein. Auch die eigenen Ansprüche sind gestiegen: Alle wollen alles gleichzeitig und alles muss perfekt sein. Das erschöpft natürlich.
Ist das ein Trend der Zeit? War das nicht früher auch schon so, dass Frauen alles gleichzeitig wollten? Oder war das klarer geregelt?
Früher gab es diese Optionen nicht, oder nur sehr eingeschränkt. Die Rollen waren verteilt.
„Sei dir selbst eine gute Mama!“

Heute stehen uns sehr viele Optionen zur Verfügung und das ist auch gut so, das soll auch so sein. Aber ich glaube, man muss weise entscheiden: Was kann ich leisten und wie viel davon kann ich leisten und muss das alles zur gleichen Zeit passieren? Können wir uns vielleicht an der einen oder anderen Stelle mehr Zeit geben und uns erst mal auf zwei Dinge fokussieren und nicht auf vieles gleichzeitig?
Dazu kommt auch, dass wir in einer Gesellschaft leben, die unfassbar schnell geworden ist, wir täglich von Reizen und Informationen überflutet werden. Permanenter Konsum, immer erreichbar sein – das sind alles Faktoren, die dazu führen, dass wir unser Nervensystem fordern und überfordern. Wenn wir alles gleichzeitig wollen, dann fehlt da auch einfach der Raum für das, was wichtig ist: sich Pausen zu nehmen, zur Ruhe zu kommen – das alles bleibt auf der Strecke.
Mir ist es total wichtig, über das Thema mentale Gesundheit zu sprechen, gerade weil es noch so tabuisiert wird. Es ist so ein Riesenthema und dafür brauchen wir Raum. Viele Menschen haben auf unterschiedlichste Art und Weise damit zu tun. Und es wird immer noch nicht offen darüber gesprochen oder ausgesprochen „Ich fühle mich erschöpft“. Man schämt sich da regelrecht für. Da schwingt immer eine gewisse Scham mit. Es ist mir schon auch wichtig, dass man offen darüber sprechen kann.
Das Thema ist leider immer noch stark stigmatisiert und den Betroffenen oft peinlich. Man gilt schnell als schwach, wenn man zugibt, dass es zu viel wird. Häufig wird nach außen gezeigt, dass alles gut läuft und man alles unter Kontrolle hat. Aber das kann nicht immer stimmen. Frauen sind sehr leidensfähig und halten viel aus.
Viele haben Schwierigkeiten, sich zunächst einzugestehen, dass es gerade zu viel ist und dass man etwas für sich tun darf – egal in welcher Form. Selbstfürsorge bedeutet, sich selbst zur Priorität zu machen, im Alltagschaos Raum für sich zu schaffen und aktiv etwas für das eigene Wohlbefinden zu tun. Das ist der erste Schritt – ganz egal, was es ist, ob man feste Termine für Sport hat, sich künstlerisch austobt, Freunde trifft – wirklich ganz egal.
Man darf sich eingestehen, „auch ich brauche Zeit, um meine Batterien aufzuladen“ und darf die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden ernst nehmen.
„Selbstfürsorge: Erstmal musst du für dich sorgen, dann kannst du für andere da sein.“
Es gibt zwei Aspekte: Zum einen, was wir von klein auf mitbekommen haben – aus unserem Elternhaus, durch unsere Erziehung. Zum anderen, wie unsere Gesellschaft Pausen und Ruhezeiten negativ bewertet. Es gilt oft als Schwäche, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, nichts zu tun oder keine Pläne zu haben. Das macht es umso schwerer, das auch wirklich umzusetzen, weil wir es oft nicht gelernt haben.
In einer leistungsorientierten Gesellschaft fällt es schwer, über Pausen und Entschleunigung zu sprechen oder sie zu praktizieren. Selbstfürsorge wird oft als egoistisch angesehen. In unseren Gesprächen sagen die Frauen oft: „Ist es nicht egoistisch, wenn ich mir Zeit für mich nehme?“ – Doch das Gegenteil ist der Fall. Du darfst zuerst für dich sorgen, damit es dir gut geht. Nur dann kannst du für andere da sein – für deinen Job, deine Familie und dein Umfeld.
Wir dürfen unsere eigenen Batterien aufladen, um wirklich für andere da sein zu können.

An wen richtet sich dein Coaching-Angebot?
Also ich würde schon sagen: hauptsächlich an Frauen. An Frauen, die für sich erkannt haben, dass sie eine Begleitung oder Unterstützung benötigen, um diese Selbstfürsorge wieder zu etablieren in ihrem Leben. Die es vielleicht einfach selbst nicht schaffen, es in ihren herausfordernden Alltag einzubringen. Und ein Stückweit auch an Frauen, die bereit sind, sich eben mit diesen Themen auseinanderzusetzen: Was sind meine Antreiber, warum kann ich keine Grenzen setzen, warum kann ich nicht Nein sagen. Die sich Begleitung in dem Thema wünschen und tiefer einsteigen wollen.
Natürlich auch an Frauen, die spüren, dass da etwas aus der Balance geraten ist, dass sie schon Symptome haben, wie zum Beispiel schlechter Schlaf, innere Unruhe, Gedankenkreisen, permanente Unzufriedenheit.
Ich habe gelernt: Das Immunsystem wird runtergefahren, wenn das Nervensystem überlastet ist.
Genau. Wenn das Nervensystem permanent auf Hochtouren fährt und im Kampf- oder Flucht-Modus ist, sind sehr viele Stresshormone im Körper unterwegs, dann wird unter anderem das Immunsystem runtergefahren, um für die Flucht oder den Kampf Energie zu sparen. Ist das Immunsystem geschwächt, wird man anfälliger für Krankheiten. Generell kann man sagen: Wenn das Nervensystem aus der Balance geraten ist, entstehen viele Dysbalancen im Körper, weil das Nervensystem viele wichtige Prozesse in unserem Körper steuert.
Du bietest ja noch mehr an als nur Einzelcoachings. Nutzen Männer dein Angebot?
Ich gebe auch Kurse, Seminare und Workshops in Unternehmen. Das sind Gruppenangebote für Unternehmen, da sind natürlich auch Männer mit dabei und das freut mich sehr. Männer sind auf jeden Fall willkommen.
Ich biete auch noch Day-Retreats, ca. eine Stunde von Hamburg entfernt, an. Es geht um einen Sonntag zum Entschleunigen und sich aus dem Alltag zurückzuziehen. Wir machen Yoga, meditieren, genießen gutes Essen, haben gute Gesellschaft und viel Natur. Es sind auch nur kleine Gruppen von bis zu 10 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Da kann man sich richtig wohlfühlen.
Gehen Männer anders mit dem Thema mentale Gesundheit um?
Das kann ich so pauschal nicht sagen oder bewerten. Was ich wahrnehme und sehe ist, dass Frauen offener sind gegenüber Themen, die die mentale Gesundheit betreffen. Ich sehe aber auch, dass sich gerade in der jüngeren Generation ganz viel tut, sie aktiver werden und sich da die Türen öffnen. Noch überwiegt der Frauenanteil in den Kursen und Seminaren.
Wie hilfst du anderen, kannst du uns eine kurze Zusammenfassung geben, wie dein Coaching abläuft?
Erstmal ist es mir wichtig zu sagen, dass das Coaching komplett individuell ist. Jede Frau kommt mit anderen Bedürfnissen, anderen Wünschen und wo sie steht im Leben zu mir. Und darauf gehe ich dann ein. Die Themen, die wir erarbeiten sind zum Beispiel „Gesunde Routinen“ – also wie bringe ich gesunde Routinen in meinen Alltag. Ein weiterer Teil ist die Begleitung zur Regulation, das bedeutet, wie kann ich meinem Nervensystem und meinem Körper helfen, wieder in Balance zu kommen.
Ich will nicht „One size fits all“ – sondern wir gehen gemeinsam den Alltag der Frauen durch und identifizieren ihre Stressoren. Wir beschäftigen uns mit stärkenden Ressourcen. Ein großer Aspekt meiner Arbeit mit den Frauen ist es, mit dem Körper und dem eigenen Nervensystem wieder mehr in Verbindung zu kommen und es lesen zu lernen. Vom Kopf mehr im Körper anzukommen. Es geht darum, wieder mehr zu spüren und die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. In dieser Arbeit geht es nicht darum, Symptome kurzfristig und oberflächlich zu behandeln, sondern sich mit den Ursprüngen zu beschäftigen, den Ursachen auf den Grund gehen.
„Mir geht es darum, den Ursachen auf den Grund zu gehen.“
Aus dem Autopiloten aussteigen, die Mechanismen verstehen und genauer hinschauen: Wie reagiere ich auf Stress, was sind meine automatisierten Stressreaktionen, die mich immer wieder in die gleichen Muster fallen lassen.
Das große Ziel und ein weiterer Aspekt ist natürlich, die Resilienz zu stärken, also die Stresskapazität im Nervensystem zu stärken.
Die Arbeit ist neurobiologisch verankert und körperorientiert. Sie basiert auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das macht das Coaching ganzheitlich und die Veränderungen sind nachhaltig.
Über welchen Zeitrahmen läuft dein Coaching ab?
Ich arbeite online, also deutschlandweit. Wir treffen uns dann in einem zwei- bis dreiwöchigem Rhythmus und ich begleite jede Frau mindestens drei bis vier Monate. Mir ist das wichtig, denn es ist ja auch eine sehr transformierende Arbeit und diese Transformation braucht Zeit. Alles, was unser Nervensystem ein Leben lang in Dysbalance gebracht hat, braucht Zeit, um wieder in Balance zu kommen. Da braucht man eine längere Begleitung und keine losen Einzelsessions. Drei bis vier Monate Minimum, und darüber hinaus. Ich habe auch Frauen, die ich jetzt schon ein gutes Jahr begleite.
Wie einfach ist es, einen Termin zu bekommen?
Kontaktiert mich einfach über meine Homepage, schreibt eine E-Mail. Man muss keine Monate warten, bis wir loslegen.
Ich arbeite präventiv und auch mit Frauen, die parallel in einer psychologischen Begleitung sind. Das kann ergänzend erfolgen. Kommt natürlich individuell auf die Situation an. Der Fokus ist auf jeden Fall auf der Prävention und soll ja einer psychischen Erkrankung zuvorkommen.
Was machst du, wenn du richtig auf den Putz hauen musst?
Die Frage mag ich. Ich mache Yoga und ich gehe regelmäßig boxen.
Welchen Tipp würdest du jemandem geben, der sich gerade sehr gestresst fühlt? Oder so ähnlich …
Es gibt viele SOS-Tools, aber mein persönlicher Favorit ist der Atem. Du hast ihn immer dabei und kannst ihn nutzen, um akuten Stress schnell zu reduzieren. Eine einfache Übung ist, tief durch die Nase in den Bauch einzuatmen und dann durch leicht gespitzte Lippen langsam und vollständig auszuatmen – wie durch einen kleinen Strohhalm. Wiederhole das am besten mehrmals, um die Stressreaktion zu beruhigen.
Vielen Dank für das Gespräch, Isabella.
Nichts zu danken, gerne.
Mehr Infos über Isabella und ihre Arbeit gibt es hier.